Ich weiß nicht mehr, wie ich über dieses Buch gestolpert bin oder auf welche Weise mich Daddy’s Princess gefunden hat. Allerdings möchte ich von einem Glücksfall sprechen, denn anders als viele der zumindest in bestimmten Foren und Gruppen hochgelobten Autoren, deren Romane ich zuletzt (an)las, konnte mich Simone Trojahn mit ihrem Thriller fesseln.
Klappentext (von Simone Trojahn):
Die dreizehnjährige Selina ist hübsch, intelligent und allseits beliebt. Längst vergessen scheint ihre Vergangenheit als verwahrlostes Kleinkind drogensüchtiger Eltern. Ihre Mutter ist inzwischen tot und ihr Vater clean. Mit seiner neuen Frau hat er einen perfekten Mutterersatz für Selina gefunden. Als dann noch die kleine Leila zur Welt kommt und die Familie in ein hübsches Haus am Stadtrand zieht, scheint das Leben perfekt. Doch dann passiert das Unfassbare: Baby Leila liegt eines Morgens tot in ihrem Bettchen. Der Traum vom Glück ist zerplatzt wie eine Seifenblase. Wer trägt die Schuld daran? War es wirklich plötzlicher Kindstod? Der furchtbare Verlust ihrer Jüngsten ist allerdings nicht das einzige Erdbeben, das die Welt der jungen Eltern nun erschüttert, denn schon bald wird klar, dass sich hinter Selinas strahlender Fassade ein düsterer Abgrund verbirgt: Das Mädchen ist regelrecht besessen von der Vorstellung, ihren Vater ganz für sich allein zu haben und sie wird über Leichen gehen, um ihren Willen durchzusetzen.
Zugegeben, die ersten Seiten sind nicht der Knaller – all die beschriebenen Glücksmomente und die fast schon naive Dankbarkeit ist ein bisschen zu viel des Guten, das in der überschwänglichen Wahrnehmung des Protagonisten Dan außerdem unstimmig wirkt. Denn trotz einer langen Reihe positiv besetzter Wörter und dem zumindest skizzierten Gefühlsausbruch erreicht die Emotion nicht den Leser – der Text bleibt deskriptiv, ohne Nähe aufzubauen. Der Anfang ist also a bit too much, um im bereits durch den Titel angedeuteten Sprachjargon des Romans zu bleiben („No Sir, bestimmt nicht.“ Simone Trojahn: Daddy’s Princess), und ein wenig gezwungen. Allerdings funktioniert er als gelungener Kontrast zu Dans dunkler Vergangenheit und zum weiteren Handlungsverlauf.
Danach geht es jedoch steil bergauf, sowohl hinsichtlich der psychischen und physischen Gewalt als auch im Hinblick auf die Spannung, die mit Einbruch der ersten Katastrophe nicht mehr weicht: Obwohl ich wochentags mit dem Buch begonnen hatte, war es 24 Stunden später ausgelesen.
Spoilerfrei lässt sich wenig zur Handlung sagen, außer vielleicht, dass es sich um eine Eskalationsspirale par excellance handelt. An jeder beliebigen Stelle der 343 Seiten gilt außerdem: Wenn du denkst, jetzt kann nichts mehr kommen, liegst du falsch. In dieser Hinsicht erinnerte mich der Text an die – absichtlich trashigen – Romane von Bryan Smith. Bei ihm sorgt die Übertreibung als Strukturprinzip allerdings oft für Komik angesichts der absurden Figuren, Situationen und ihrer Kommentierung. Kleines Beispiel gefällig? „Irgendwie ergab es auf vollkommen verdrehte Weise absolut Sinn, diese Kannibalen zu essen.“ (Bryan Smith: „Verkommen“) Zumindest ich lache über solche Sätze herzhaft und lange.
Trojahns Roman kratzt nicht an der Oberfläche der Figuren, sondern zieht den Leser tiefer und tiefer in ihre (Vorstellungs-)Welt. Nur bei Kate wirken die Gefühle manchmal wie die Ausschöpfung eines Klischees, während Dan und Selina mit deutlichem Eigenleben aufwarten können.
Besonders gefiel mir, im Verlauf der Handlung noch mehr über die ersten Jahre von Vater und Tochter zu erfahren, die aus beiden Perspektiven geschildert werden. Vor diesem Hintergrund relativiert sich meine Kritik am Überschwang des Romanbeginns ein wenig, denn wer die Augen wie Dan verschließen kann, der muss eine spezielle Wahrnehmung seiner Biografie haben. Apropos spezielle Wahrnehmung: Die Autorin beherrscht auch die metaphorische Sprache – und sollte sich das häufiger zunutze machen:
„Dieses Leben war nicht gerecht. Es war nur ein großer Ozean mit schwarzen Tiefen, in dem ein paar winzige Fischchen als einzige Hoffnungsschimmer trieben.“ (Simone Trojahn: „Daddy’s Princess“)
Der auktoriale Erzähler tritt nicht übermäßig, aber immer an den richtigen Stellen hervor: Manchmal, um die Spannung zu verdichten, jedoch meistens, um nach dem Kick in die Magengrube einen Tiefschlag folgen zu lassen. Häufig sind es weniger die splatterhaften Beschreibungen als die Dilemmata von Dan und Selina und ihre daraus resultierende, spürbare Ausweglosigkeit, die eine solche Wirkung erzeugen. Das Ende ist kompromisslos, was aufgrund der vorhergehenden Seiten kaum überrascht.
Dagegen irritiert die Frage, die dem Leser gestellt wird, doch für einen Moment und verweist auf die Diskussion um eine latent vorhandene Moralität, die im Horror-Genre oftmals diagnostiziert wird.
Vier von fünf Ballen.