Monica J. O´Rourke: Quäl das Fleisch


Klappentext (vom Festa Verlag):

Zoey wusste nicht, was echter Schmerz ist.
Nachdem sie in Manhattan entführt wurde, wird Zoey in einen Bunker verschleppt und Opfer der abartigen Fantasie eines kranken Mannes. Doch sie ist nicht die einzige Gefangene, in Käfigen vegetieren dutzende Frauen vor sich hin. Täglich werden sie gequält …
Doch sie lernt schnell: Echter Schmerz ist etwas zwischen Ekstase und Pein …

Wer denkt, Frauen erginge es in einem Horror-Roman einer Autorin besser als in den Geschichten ihrer männlichen Kollegen, dem beweist Monica J. O´Rourke das Gegenteil.

 

 

Wenn dich die Schilderung sexueller Gewalt triggert oder du dich schlichtweg nicht mit dieser Thematik (innerhalb der Unterhaltungsliteratur) befassen möchtest, solltest du weder „Quäl das Fleisch“ noch meine Rezension lesen.

Denn während die Vergewaltigung von vor allem weiblichen Personen im Horror-Genre üblicherweise wie ein Nebenschauplatz behandelt wird oder als Motivation für die weitere Handlung fungiert, ist die sexuelle Gewalt von Männern an Frauen essenzieller Bestandteil, wenn nicht das Grundthema des Romans. Und anders als bei vielen männlichen Autoren wird nicht nur detailliert beschrieben, was die Täter mit den Opfern anstellen, sondern auch aus Opfersicht geschildert – mit entsprechenden Einblicken. Obwohl der Titel „Quäl das Fleisch“ es nicht unbedingt vermuten lässt, zeigt O´Rourke nicht nur die körperlichen Folgen der stetigen sexuellen Gewalt auf. Auch Tabuthemen, wie zum Beispiel die Möglichkeit, dass ein Opfer während seines Missbrauchs einen Orgasmus erlebt und danach von unvergleichlicher Scham gequält wird, schneidet sie an.

Der angebliche Sinn hinter der Einrichtung, in der Zoey und die anderen Figuren gefangen gehalten werden, entpuppt sich als kritischer, weiblicher Blick auf die Welt. In der Diät-Zwangsklinik gilt das Motto: „Schlank um jeden Preis“. Die Gespräche zwischen der Protagonistin und Doktor Sullivan beziehungsweise „Institutsleiter“ James erinnern an die Sinnlosigkeit, die einem zuweilen beim Hinterfragen solcher Strukturen überkommt. Denn wer wie Zoey gegen die festgeschriebenen Sinnzuweisungen ankämpft oder ihnen mit Argwohn begegnet, wird bestraft – die Grausamkeit der Überlegenen kennt zumindest in dem Roman keine Grenzen, obwohl einige der Täter, allen voran James, das Gegenteil beteuern.

Um den Plot in Schwung zu bringen, benötigt die Geschichte jedoch noch bösere Menschen als die, von denen ich als Leserin bereits nach den ersten Seiten genug hatte. Spannend ist, wie sich ab diesem Moment die zuvor relativ gesichtslosen Opfer in starke Frauen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten verwandeln, als sie ihre einzige Chance zur Gegenwehr nutzen. Auch hier wird immer wieder der schlechte körperliche Zustand der Gefangenen erwähnt, der eine Verteidigung ohne Waffen kaum ermöglicht. Und wenn doch, dann liegt es an den zahlreichen Kilos, also dem, was das Patriarchat in seinem Bunker ausrotten will oder James und Co. zumindest als Vorwand für ihre Gräuel dient. Ist der Roman eine Extrem-Horror-Parabel? Für mich trifft das in jedem Fall zu, wie du meiner Rezension vermutlich schon entnehmen konntest. Die Mittäterschaft anderer Frauen (Mel, Robin) sowie das spät gelüftete Geheimnis um Raum 4 (= Bestrafung) können als weitere Indizien für diese Lesart gelten.

Eine andere Möglichkeit ist, dass Monica J. O´Rourke besonders grausame Bilder sexueller Gewalt aufzeigen wollte. Das ist ihr gelungen. Ich stand einige Male kurz vor dem Abbruch der Lektüre, weil ich nicht wusste, warum ich mir solche Schilderungen länger antun sollte – gerade vor dem Hintergrund, dass sexuelle Gewalt ein reales Problem darstellt und es immer noch eine Notwendigkeit für das Wort Femizid gibt.

Im Gegensatz zu den meisten Texten innerhalb des Genres werden die Vergewaltigungen hier nicht verkleinernd dargestellt, was letztlich einer der Gründe für mich war, weiterzulesen. Durch den Twist der Geschichte wuchs die Spannung rapide an – ab diesem Zeitpunkt hätte ich den Roman ohnehin nicht mehr vorzeitig beenden können.
Wie deutlich sich die Autorin von den typischen Exploitation-Exzessen abgrenzt, bemerkt man nicht zuletzt in der eigenen Wahrnehmung von „Quäl das Fleisch“: Anders als beispielsweise bei Rape-and-Revenge-Filmen erwartet man als Rezipient von Anfang an kein rachsüchtiges Spektakel, sondern hofft lediglich, dass die Befreiung der Frauen endlich gelingt.

Neben einem fast schon kafkaesken Beginn und dem relativ offenen Ende bietet O´Rourkes Roman mehr Tiefe, mehr Spannung und sogar mehr Brutalität als alle anderen Bücher der Reihe Festa Extrem, die ich bislang gelesen habe. Nur an manchen Stellen schwächelt das Buch durch nicht ganz so gelungene innere Monologe, während der Großteil der Geschichte stimmig erzählt wird.

 

 
Vier von fünf Ballen.