John Ajvide Lindqvist: Wolfskinder

Wolfskinder von John Lindqvist

Facettenreich, ideenstark, geheimnisvoll – auf 561 Seiten erzählt John Lindqvist eine außergewöhnliche Geschichte. Das menschliche Drama über zwei verlorene Mädchen wird in diesem Roman so authentisch wie schmerzvoll geschildert. Seine mystische Aura erhält sich nicht nur bis zum Schluss, sondern entfaltet sich gerade dort.

Klappentext (von Bastei Entertainment):

„Beim Pilzesammeln macht der ehemalige Schlagersänger Lennart einen grausigen Fund: ein lebendig begrabener Säugling. Das Schreien des Mädchens geht ihm durch Mark und Bein: Es singt glockenreine, vollkommene Töne. Was für ein Menschenkind hat er hier gefunden? Er nimmt die Kleine mit nach Hause und versteckt sie. Theres – so wird sie genannt – soll Lennarts eigenen Lebenstraum einer Musikkarriere erfüllen. Er ahnt nicht, dass er sich das eigene Verderben ins Haus geholt hat …“

Lindqvist kann auf subtile Art Grauen erzeugen und schaltet ohne Vorwarnung in detailreiche, brutale Szenen um. Das geschieht vor allem, wenn er aus der Perspektive des – Überraschung! – Horrorfilmfans Jerry erzählt. Ohnehin ist der Sohn von Lennart und Laila ein Sinnbild für die Verkorkstheit des Menschen, die zugleich ihre Einzigartigkeit ausmacht, und die oftmals im Kreis der Familie weitergetragen wird. Seine Eltern, zwei alternde Schlagerstars, ermüden zunächst auch den Leser, bis er in ihre immer tieferen Abgründe hinein und wie sie von ihrem vermeintlichen Rettungslicht des wunderlichen Säuglings in den Bann gezogen wird.

Nicht alle, aber die Mehrzahl der Figuren in diesem Roman möchte man verachten, und kann sie für ihr erfolglosen Streben doch nicht verurteilen. Theres und Teresa werden zu einem Gespann, dem man nicht begegnen will, sogar, wenn man sich für ihre Kompromisslosigkeiten begeistert. Die mythisch überzeichnete Welt des Rudels wird ebenso erfahrbar wie die Verzweiflung des einsamen Wolfs und erzeugt eine einzigartige Atmosphäre:
„Viele weinten in der Nacht. Ihre Sinne waren frische Wunden und die Wahrnehmungen viel zu stark. Sie trösteten und hielten einander fest, teilten Schlafsäcke miteinander oder streichelten einander wortlos das Gesicht. Doch trotz des Weinens und trotz des Bedürfnisses nach Trost war das grundlegende Gefühl die Freude.“ (John Ajvide Lindqvist: “Wolfskinder”)

Für Schweden-Liebhaber gibt es einiges an Lokalkolorit zu entdecken, allen voran das Skansen-Musikfestival in Stockholm, wenngleich du dieses nach der Lektüre mit ganz anderen Augen sehen wirst.
Der Autor wagt ein einigermaßen offenes Ende, das sich ebenso gegen eine einseitige Verklärung sträubt wie seine ProtagonistInnen.

 

 
Fette Beute!
 
Fünf von fünf Ballen.