J. Mertens: Home Invasion – Die Faust des Terrors

J. Mertens: Home Invasion - Die Faust des Terrors

Anderthalb Seiten Prolog, anderthalb Seiten bäm, in die Fresse: J. Mertens spart in Home Invasion an einleitenden Worten, dafür aber nicht an Blut und morbider Kreativität. Anfangs erinnerte mich die schonungslose Art des Erzählens ein wenig an Simone Trojahns Romane „Kellerspiele“ und „Daddy’s Princess“, im weiteren Verlauf treten die Unterschiede jedoch sehr deutlich zu Tage.

Klappentext (vom Blutwut-Verlag:):

WENN ALLE MASKEN FALLEN …

Die Bentleys stecken mitten in ihren Urlaubsvorbereitungen, als unerwarteter Besuch auftaucht, der sich schon bald als infernales Sammelsurium grausamer Sadisten entpuppt. Die Familie wird zu unfassbaren Handlungen getrieben, bei denen jeder nur noch an das eigene Überleben denkt. Denn auch die vermeintlichen Opfer hegen perverse Geheimnisse, die nun entsetzliche Folgen haben …
Ein blutiges Spektakel von unglaublicher Dichte, angesetzt zwischen Horror, Thriller und Torture Porn.

Der Gedanke an den Filmklassiker Funny Games kommt durch den Klappentext unweigerlich auf, obwohl der Roman in seinem Setting weniger an den Versuchsaufbau von Regisseur Michael Haneke erinnert. Die Geschwindigkeit, mit der die ersten Irritationen von blankem Horror abgelöst werden, ist durch den Prolog direkt auf einem anderen Startniveau. Trotzdem spielt auch Mertens mit der als bedrohlich wahrgenommenen Situation, wenn Figuren eigentlich selbstverständliche Konventionen nicht einhalten – zum Beispiel, indem sie sich als ungebetene Gäste nach mehrmaliger Aufforderung immer noch weigern, das Haus zu verlassen.

Schnell wird klar, dass der Titel Home Invasion auf zwei Ebenen abzielt: Einerseits steht er für das Offensichtliche, den Einfall fremder Personen in das Zuhause der Bentleys, andererseits beschreibt er das Eindringen in die Intimsphäre, die Heimlichkeiten und nicht zuletzt in die Köpfe der Anwesenden. Diese Geheimnisse werden schon bald ebenso wie die „Sünder“ selbst ausgeschlachtet. (Ja, das ist durchaus wörtlich zu verstehen.)

Die besonders in den ersten Kapiteln dichte Atmosphäre wird grundsätzlich bis zum Ende durchgehalten und einige Wendungen sorgen für Spannung, obwohl sie nicht zu hundert Prozent schlüssig sind. Die Stimmigkeit empfand ich ohnehin als eines der größten Probleme des Romans: Wenn jemand wie „Grandpa“ eine etwas hölzerne, steife Ausdrucksweise hat, passt das hervorragend – allerdings schwappt sein Sprachstil oftmals auf die Mitglieder der Familie Bentley über, und auch deren Freunde hätte ich mir aufgrund vieler Beschreibungen und Dialoge deutlich älter vorgestellt. Sogar im Ausnahmezustand klingen die Figuren noch verstaubt, lediglich Tochter Drew bildet mit ihrer zum Teil vulgären Sprache eine Ausnahme. Das Alter der frühreifen Zehnjährigen scheint primär um des Schockeffekts wegen gewählt worden zu sein; authentisch wirkt ihre (ohnehin dünne) Charakterisierung zumindest nicht.

Außerdem vermisste ich an einigen Stellen die Ausarbeitung der an sich recht interessanten Ideen: Als Leserin hatte ich zwar ein Bild davon im Kopf, was passiert, aber eben nur ein Bild – ohne viele Sinneswahrnehmungen, Empfindungen oder Emotionen, ohne Nähe zu den Figuren. Der beliebte Slogan Show, don’t tell könnte hier mehrfach bemüht werden, wäre er nicht so unfassbar ausgelutscht 😀
Denn egal, ob es sich dabei um einen schrägen Einfall oder um Auswüchse besonderer Brutalität handelt, sie verpuffen ohne eine entsprechende Einbettung:
„Noch vor dem zweiten Schlag, der den Daumen sauber abtrennte, hatte sich in blitzartiger Geschwindigkeit eine rote Pfütze auf dem Tisch ausgebreitet. Noch einmal wiederholte sich die Prozedur, jetzt an der linken Hand, dann ließen Bob und Henry ihr wie wild kreischendes Opfer los. Der Tisch glich derweil einer Schlachtbank. Acht Finger und zwei Daumen lagen ein einem See aus Blut, der zum Tischrand hin bereits in ein Rinnsal mündete.“ (J. Mertens: „Home Invasion – Die Faust des Terrors“)
Ähnliches gilt für die Charakterisierung: Im Gegensatz zu den Protagonisten der anfangs erwähnten und von mir sehr geschätzten Autorin Simone Trojahn fehlt den Figuren von Mertens jegliche Tiefe.

Bezeichnend ist, dass mich die meisten meiner Kritikpunkte an die Texte von Tim Miller und Wrath James White erinnerten, die mich allerdings noch weniger überzeugen konnten. Besonders bei „Schänderblut“ störte mich, dass sich so ziemlich jeder Protagonist als unfassbar schlechter Mensch (oder total verblödet) herausstellte. Gleiches muss ich von J. Mertens Home Invasion sagen. Mich persönlich langweilt es einfach, wenn keine der Figuren eine echte Fallhöhe aufweist. Schlechtigkeit hin oder her – das Ausmaß der Eskalation hätte man mit etwas mehr als der Eloquenz von Grandpa erklären müssen und aufgrund seines Hintergrunds (hier könnte ein Spoiler stehen) wäre das problemlos möglich gewesen.
In Summe handelt es ich bei „Home Invasion – Die Faust des Terrors“ um einen harten, größtenteils spannenden Roman für zwischendurch, dem man allerdings nicht mit zu hohen Erwartungen begegnen sollte.

 

 
Drei von fünf Ballen.