Interview mit Faye Hell

Vielleicht hast du dich schon über das wunderschöne Bildchen gewundert, das seit einigen Tagen meinen Blog ziert. Dabei handelt es sich um das Logo, das Markus Lawo für THE COVEN gebastelt hat. Und was ist THE COVEN? Das sind wir – das persönliche Bloggerteam von Faye Hell, auch bekannt als #teamhell.
UPDATE: Die höllische Familie ist mit M.H. Steinmetz um ein weiteres Mitglied reicher geworden.

Unser erster Streich ist ein gemeinsames Interview mit der deutschsprachigen Horrorqueen, das nicht nur persönlich, sondern schmerzhaft ehrlich ist. Ich habe großen Respekt vor so viel Offenheit und freue mich, dieser eine Plattform geben zu dürfen.

Wenn dich jemand fragt, warum er ausgerechnet deine Bücher lesen soll. Was antwortest du?

Man sollte meine Bücher lesen, weil sie herausfordernd sind. Literarisch komplex auf der einen Seite, erschreckend aufrichtig und direkt auf der anderen. Man sollte sich als Leser nicht nur immer in die Komfortzone zurückziehen, ein Buch kann mehr sein als bloße Unterhaltung. Ich erfinde meine Geschichten nicht nur, ich spüre sie. Genau so geht es mir auch mit meinen Charakteren und ich denke, das fühlen meine Leser. Lesen sich meine Bücher leicht? Sicher nicht, wenn man dem Leser etwas vermitteln will, dann hat das einfach Gewicht. *zwinker*

Wie bist du zum Schreiben gekommen? Gab‘s Inspiration? Wolltest du nur hobbymäßig schreiben?

Ich habe als Kind bereits geschrieben. Mit elf Jahren wollte ich bereits Horrorautorin werden. Im jungen Erwachsenenalter habe ich allerdings damit aufgehört. „Keine Menschenseele“ hat als therapeutisches Projekt begonnen, das mir dabei helfen sollte, ein Trauma zu bewältigen. Das ist mir auch gelungen. Aber was an Texten da war, war zwar extrem intim, aber dennoch viel zu gelungen für die Schublade. Also habe ich es überarbeitet. Inspiriert hat mich definitiv das Haus, in dem ich lebe. Ein über hundert Jahre altes Kurhotel. „Keine Menschenseele“ spielt in diesem Hotel. Das Schreiben ist für mich deutlich mehr als ein Hobby, es ist ebenso Selbsterfüllung wie Therapie. Möchte ich nur vom Schreiben leben? Zum jetzigen Zeitpunkt wäre das gar nicht mein Ziel, da ich meinen Job als Lehrerin liebe.

Man fragt sich ja immer, wie krank ein Gehirn sein muss, um auf solche Ideen zu kommen, also, woher kommen deine Inspirationen?

Man kann generell nichts schreiben, das nicht in einem drin ist. Ja, es sind meine Fantasien, aber es sind nicht meine Wunschvorstellungen. Dass ich die Fähigkeit habe, mir so etwas auszudenken, heißt noch lang nicht, dass ich mir so etwas auch wünsche. Das verwechseln viele! Beispiel? In „Keine Menschenseele“ wird eine Katze bestialisch ermordet. Eher würde ich mir einen Finger abbeißen, als einer Katze auch nur ein Schnurrbarthaar zu krümmen. Die Inspiration kommt aus einem tiefen, schwarzen Brunnen, voller Schlamm und Dreck. Ich schraube mich ganz hinunter, greife nach dem schlimmsten Monster, das mir zwischen die Finger kommt und zerre es mit mir ans Tageslicht. Ehrlich, so stelle ich mir das immer vor.

Wann kommt endlich der große, romantische Nackenbeißer von dir?

Und ich dachte, mich könnte keine Frage schockieren. 😛 In meinen Büchern geht es meist um die Liebe. In „Tote Götter“ ist sie genau genommen sogar eines der zentralen Themen überhaupt. Die stärkste Kraft im Universum, ihr wisst schon Bescheid. Romance werde ich aber garantiert nie schreiben. Warum ich das so genau weiß? Weil ich es einfach nicht kann! Ich habe es sogar mal versucht, eine Kurzgeschichte für die Anthologie einer Freundin. Das war wirklich die Hölle und es war grauenvoll schlecht. Ich habe die Datei sogar ganz gelöscht. Ich bin leider so romantisch wie eine Waschmaschine.

Ich habe selbst schon versucht, mir Horror Stories auszudenken und sie zu schreiben. Allerdings scheitere ich daran, dass mir die ausgedachten Geschichten so eine sch… Angst machen, dass ich irgendwann aufhören muss. Kennst Du das und wenn ja: Wie gehst Du damit um?

In meinem dritten Roman „Rigor Mortis“ (erscheint im November) kommt ein Ich-Erzähler vor, der mich wahrhaftig das Fürchten gelehrt hat. Ich hasse ihn und er hat mich massiv in die Enge getrieben. Ich habe geflucht, geweint, gespuckt … und dann weitergemacht. Weil ich dadurch Macht über ihn hatte! Wie die meisten wissen, liebe ich Amerika. Dieser Ich-Erzähler ist die Personifikation von allem, was mir an meinem geliebten Amerika derzeit Angst macht. Er ist die schlimmste Figur, die mir einfallen konnte, vielleicht ist er deshalb so gut gelungen.

Wie hat dein persönliches/familiäres Umfeld reagiert, als du angefangen hast, Horror zu schreiben?

Natürlich waren sie nicht überrascht. Immerhin habe ich auch davor kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich Horror liebe und dass das einfach meine Welt ist. Teile meiner Familie haben viel mehr ein Problem damit, dass ich in Interviews sehr offen über Persönliches spreche und das mit der Welt teile. Zum Beispiel die Tatsache, dass ich mit schweren Depressionen zu kämpfen hatte. Das war für die viel mehr der Horror als der Horror an sich. Deshalb ist auch der Kontakt abgebrochen, was übrigens immer noch und immer wieder höllisch weh tut. Aber was macht man? Man macht weiter! Und ich werde nichts an dem ändern, wie es ist. Schon gut so. Auch in meinem Job als Lehrerin gab es Probleme. Die Menschen denken in Schubladen, so richtig in die Schublade Lehrer passe ich halt nicht und damit können manche (zum Glück nur sehr wenige) nicht umgehen.

Glaubst du, du wirst irgendwann so eine verrückte Katzenoma sein, die mit ihren 20 Miezen zurückgezogen in einem alten Haus wohnt?

Jeder Mensch braucht doch Ziele, oder? Also ja, verdammte Kacke, natürlich werde ich mal eine verrückte Katzenoma mit zwanzig Miezen sein! Wir werden uns einen alten Bauernhof in Andalusien teilen und uns gemeinsam um meine Seidenhühner und meine Alpakas kümmern. Und natürlich um Mister Hell. Aber sagt ihm das nicht, er weiß das mit den zwanzig Katzen noch nicht, das wird eine schnurrrrrende Überraschung. 😛
Faye Hell - Die Horrorqueen

Welche(r) Rolle/Protagonist aus deinen Büchern liegt dir am meisten am Herzen? Und warum gerade er/sie?

Das wäre dann wohl Hannah aus „Tote Götter“. Als ich begonnen habe, diesen Roman zu schreiben, habe ich auf eine Diagnose gewartet. Es stand der Verdacht auf Multiple Sklerose im Raum. Zum Glück hat sich dieser Verdacht nicht bestätigt, aber ich musste einen Monat auf die entsprechende Untersuchung warten und dann noch eine Woche oder so auf das Ergebnis. Ich habe all diese Angst und überhaupt die gesamte Krankheit meiner Hannah auf den Leib geschrieben. Schlussendlich ist es sogar diese Krankheit, die sie so stark macht. Auch trägt diese Ich-Erzählerin sehr viele Wesensmerkmale, die sie wohl von mir gestohlen hat. Manchmal bedaure ich schon fast, dass ich ihr im Roman so übel mitgespielt habe.

Wie viele Tattoos hast du, wo und was? Haben diese auch eine Bedeutung für dich?

Ich habe wirklich einige Tattoos und die meisten davon gehen ineinander über, also kann ich sie nicht so genau trennen. Gänseblümchen für meine Mama, Vergissmeinnicht für meine Oma, eine Tigerente für meinen Mann, eine Seerose für meine Katze Lilli. Libellen, weil mir mein Mann mal erzählt hat, dass Libellen nie sterben, sondern nur den Winter über nach Afrika fliegen. Deshalb steht unter den Libellen auch indestructible. Ein roter Stern aus meiner Kommunistenphase (habe ich Phase gesagt?!). Eine schwarze Witwe, das erklärt sich selbst. Meine neuesten Tattoos sind Sachmet und Bastet, immerhin bin ich der altägyptischen Mythologie und vor allem Bastet sehr verbunden.

Traust du dich, uns einen der intimsten Momente aus deinem Leben zu verraten, den du in einem Text verarbeitet hast?

Ja, ich trau mich. Es fällt mir aber nicht leicht, das will ich hier zugeben. Es ist auch eines der Themen, die immer tabuisiert werden und das obwohl #metoo grad überall ist. Ich wurde in meinen Zwanzigern vergewaltigt und das hat tiefe Narben hinterlassen. Dieses Trauma habe ich in „Keine Menschenseele“ aufgearbeitet. Also nicht die Fantasien eines potentiellen Triebtäters, sondern der Bewältigungsmechanismus eines Opfers.

Liebe Faye, was macht dich glücklich?

Die Natur, ein ausgedehnter Spaziergang, eine Wanderung. Allein oder mit einem Menschen, den ich liebe. Wenn ich am Wochenende bereits am Morgen zu lesen beginne, während Mister Hell noch stundenlang tief und fest schläft .Wenn ich einen Film sehe, der mich so sehr fesselt, dass ich förmlich den Atem anhalte. Wenn ein Buch mich die Welt um mich vergessen lässt. Wenn sich eine Szene in einem Roman oder einer Geschichte wie von Geisterhand schreibt, weil die Ideen gleich so fließen. Das alles macht mich glücklich. Und ja, ich bin jeden Tag vorsätzlich sehr glücklich, weil sonst die Dunkelheit gewinnen würde und ich wieder depressiv wäre. Glück passiert mir nicht, Glück ist mein Vorsatz!

Schreiben ist ein Teil von dir, das merkt man in jeder Zeile. Doch was wäre, wenn du nicht mehr schreiben dürftest? Wenn du zum Beispiel, einen Menschen retten könntest, indem du es aufgibst?

Wahrscheinlich wäre es total verrückt, wenn ich es aufgeben würde, weil nicht zu schreiben mich auf Dauer zerstören würde. Da sind zu viele Gedanken in meinem Schädel und die meisten davon sind nicht gerade nett und flauschig. Aber ich würde ein Menschenleben gewiss über meine Berufung stellen. Wäre das dann noch das Leben eines Menschen, den ich liebe, dann würde ich nicht mal zögern, das zu tun. Da ich weiß, dass dieser Mensch dann mich retten würde, wenn das “nicht Schreiben” meinen Verstand in Gefahr brächte. Oh, das klingt irre … 😛 Was ich eigentlich sagen will: Ich liebe dich, Mister Hell.

Blut geleckt? Dann wirf doch einen Blick auf Faye Hells Website oder sieh dir meine Rezensionen zu „Keine Menschenseele“, „Tote Götter“ und Rigor Mortis an!