Henning Mankell: Mannen på stranden / Fotografens död (Lättläst)

Bei Texten mit dem Zusatz „Lättläst“ handelt es sich um Nacherzählungen bereits veröffentlichter Werke. Sie zeichnen sich durch eine vereinfachte schwedische Sprache aus, weil auf komplizierte Wörter und lange Sätze verzichtet wird. Zum Teil fehlen die Nebenhandlungen des Originals, wodurch sich die LeserInnen besser auf den Kern der Geschichte konzentrieren können. Außerdem ist der entsprechende Roman beziehungsweise die Erzählung in kürzere Sinnabschnitte eingeteilt und weist einen größeren Seitenrand auf.

Da ich das Thema „Leichte Sprache“ interessant und wichtig finde, konnte ich mir ein paar weitere Zeilen hierzu nicht verkneifen. Wenn du direkt zur Rezension von Mankells „Mannen på stranden / Fotografens död“ springen möchtest, bitte hier entlang.

Exkurs: Leichte Sprache

Wer häufig Wikipedia benutzt, wird bereits über „Simple English“ als mögliche Sprache gestolpert sein – mit 132.520 Artikeln (Stand vom 01.04.2018) gibt es auf dieser Plattform schon viel Input für wissbegierige Kinder, Nicht-Muttersprachler sowie Menschen, die nicht gut lesen oder schreiben können beziehungsweise eine Lern- oder geistige Behinderung haben.

In Deutschland gibt es noch relativ wenige Versuche, Sprachbarrieren abzubauen. Wer sich ein bisschen mit der Geschichte der deutschen Sprache beschäftigt, weiß um die ewigen Kulturpessimisten und ihre Feindbilder: Ob Latein, Französisch, Anglizismen oder die Jugendsprache, schlimmer geht immer und das Ende naht – so oft die Quintessenz, die sich seit den Anfängen von Sprachverbänden wie dem ADSV unumstößlich hält.
Und wer einen Blick in Fachbücher wirft oder Vorträgen an der Universität lauscht, bemerkt schnell, dass komplizierte Texte mit Bandwurmsätzen die Norm sind. Warum nur einen Gedanken pro Satz unterbringen, wenn es drei sein könnten? Und ja, ich bekenne mich schuldig. Meine Rezensionen würden den Kriterien der Leichten Sprache niemals standhalten und – sofern damit nicht die eigene Unwissenheit kaschiert werden soll – erfreue ich mich selbst an komplexen Gebilden. Das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks, ändert aber nichts an dem Umstand, dass solche Angebote essenziell für die Selbstbestimmung und Teilhabe aller Menschen sind.

Falls ich dein Interesse für das Thema geweckt habe, findest du hier Links mit weiteren Informationen beziehungsweise zu Seiten, auf denen die Leichte Sprache bereits umgesetzt wurde:

 

Rezension zu „Mannen på stranden / Fotografens död“ (Lättläst-Ausgabe)

Henning Mankell: Mannen pa stranden/Fotografens död

Beide Kriminalgeschichten stammen aus der Feder des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell und wurden von Johan Werkmäster bearbeitet. Im Original erschien Mannen på stranden im Jahr 2000, während Fotografens död bereits 1996 veröffentlicht wurde.

Für SprachanfängerInnen lohnt sich die Anschaffung der Lättläst-Ausgabe auf jeden Fall:
Trotz der Vereinfachungen kommt keine Langeweile auf, denn die Sätze sind zwar kurz, jedoch abwechslungsreich. Das gilt auch für den Wortschatz, der sich – anders als beispielsweise in der Lernlektüre „Mordet pa fjorden“ – recht vielfältig gestaltet. Und obwohl ich beim Lesen einige Wörter nachgeschlagen habe, wäre das meistens nicht notwendig gewesen. Ein Großteil der für mich neuen Vokabeln ergab sich bereits aus dem Zusammenhang, sodass sich das Gesamtbild leicht ohne Wörterbuch erschlossen hätte. (Nur bin ich eine Streberin, die natürlich von allem die exakte Übersetzung erfahren und in der entsprechenden Schublade des Hirns abspeichern will.)

Da es sich bei den beiden Krimis um komprimierte Texte handelt, ist ihr Stil natürlich nicht zu 100 Prozent Henning Mankell. Umso beeindruckender finde ich, wie stark der Bearbeiter Johan Werkmäster die typische Wallander-Stimmung einfangen konnte.

Klappentext (vom Groa Verlag):

In diesem Buch muss Kommissar Kurt Wallander zwei Mordfälle lösen.
Im ersten Krimi stirbt ein Mann auf dem Rücksitz eines Taxis – vergiftet! Die Spur führt zum Strand. Dort muss er seinem Mörder begegnet sein …
Der zweite Fall handelt von einem Fotografen, der in seinem Atelier tot aufgefunden wird. Es scheint keine Hinweise auf den Täter zu geben. Aber Wallander gibt so schnell nicht auf …

Die beiden Krimis von Henning Mankell wurden in einem leicht verständlichen Schwedisch nacherzählt, d.h. mit einer strukturierten Handlung, einem vereinfachten Vokabular und kurzen Sätzen. So bietet das Buch Schwedisch-Lernern die Möglichkeit, schon in einem frühen Lernstadium Literatur auf Schwedisch zu lesen.

Langsam, bedächtig und immer mit einer großen Portion Melancholie wird eine Mordermittlung geschildert, die – wie so oft bei Mankell – ein tragisches Ende nimmt. Die Verbindung zwischen dem Opfer Göran Alexandersson und dem Täter wird schon früh angedeutet, doch die wahren Hintergründe treten erst allmählich in Erscheinung. Hierdurch gelingt es, die Spannung lange aufrecht zu erhalten.

Die Einsamkeit, ein kontinuierliches Leitmotiv der gesamten Wallander-Reihe, schlägt die Verbindung zwischen Mordopfer und dem schwermütigen Ermittler, der nicht das erste Mal an seiner Berufswahl und vielleicht auch an der Welt (ver-)zweifelt.

Und sie bildet eine Brücke zur zweiten Kriminalgeschichte, die ebenfalls einen ausgezeichneten Lesefluss bietet: „Fotografens död“ nimmt diesen Faden direkt wieder auf und spinnt ihn gekonnt weiter. Erneut inszeniert Henning Mankell im Rahmen des zu lösenden Falls ein menschliches Drama mit tiefen Abgründen, die teilweise nur aus sicherem Abstand gezeigt werden, zum Beispiel im Hinblick auf das seltsame Hobby des zu Beginn noch lebenden Fotografen.

Zwar findet sich im Verlauf der Handlung eine implizite Erklärung für Simon Lambergs kurioses Verhalten, diese wirkt dennoch wie eine etwas lieblos arrangierte falsche Fährte. Das könnte allerdings an der komprimierten Form und damit den fehlenden Details der Lättläst-Ausgabe liegen.
„Fotografens död“ kann man als einen typischen Wallander-Krimi bezeichnen – betont langsam und unspektakulär erzählt, aber aufgrund der menschlichen Abgründe immer fesselnd.

Neben dem Motiv der Einsamkeit wird im zweiten Text noch ein anderer Aspekt hervorgehoben, der in Henning Mankells Kriminalgeschichten eine große Rolle spielt: Die Ermittlungen sind nicht unfehlbar und am Ende bleiben manche Fragen offen, obwohl der Mord aufgeklärt beziehungsweise der Fall gelöst wurde.
„Det finns alltid hemliga rum dit vi inte lyckas tränga in. Och väl är kanske det, sade Wallander.“ (Henning Mankell: „Mannen på stranden / Fotografens död“)
Hierin zeigt sich das Selbstverständnis des Schriftstellers, der auch in seiner Funktion als Autor ein Mensch bleibt, anstatt sich zu einem Gott zu erheben – was nur konsequent wirkt, da er selbst nicht an einen Gott glaubte.

 

 
Fette Beute!
 
Fünf von fünf Ballen.