Faye Hell/M.H. Steinmetz: Rednecks

Faye Hell und M.H. Steinmetz: Rednecks

Wundert es jemanden, wenn ich bei einem Roman aus jenem Verlag, der unter anderem mit dem Slogan Nichts für Pussys wirbt, ausgerechnet an Chet Pussy denken muss?
(„Come on in pussy lovers! Here at the Titty Twister we’re slashing pussy in half! Give us an offer on our vast selection of pussy, this is a pussy blow out! All right, we got white pussy, black pussy, Spanish pussy, yellow pussy, we got hot pussy, cold pussy, we got wet pussy, we got smelly pussy, we got hairy pussy, bloody pussy, we got snappin’ pussy […]“)
Das liegt allerdings weniger an Redrum Books, sondern mehr an all dem Wüstenstaub, der die Leser*Innen gemeinsam mit viel Dreck, Schweiß und noch mehr Blut in „Rednecks“ empfängt.

Klappentext (vom Redrum-Verlag):

Aus meinen toten, leeren Augenhöhlen werden keine Skorpione kriechen …

Eine Bande knallharter Redneck-Biker plant den ganz großen Deal mit einem mexikanischen Kartell. Da kommt ihnen der verwahrloste Trailerpark ›Grab the Pussy‹ gerade recht. Abgelegen, inmitten der glühend heißen Wüste New Mexicos, schert sich kein Schwein darum, was dort geschieht. Abgesehen von den Freiern, die bei den Porno Pussys zum schnellen Schuss kommen.
Es dauert nicht lange, bis sich Pussys und Biker nicht nur in der Horizontalen in die Quere kommen. Doch da ist noch mehr, was zwischen den wurmstichigen Trailern lauert. Eine finstere Macht, uralt und göttlich, wartet darauf, entfesselt zu werden …

Wenn sich der Himmel über der Wüste New Mexicos verfinstert, ist sie nicht mehr weit …

Die Assoziation zu „From Dusk till Dawn“ hatte sicherlich nicht nur ich bei der Lektüre – aufgrund des Settings war sie wahrscheinlich ebenso gewollt wie ein bestimmter Anklang an „Sons of Anarchy“. Die Biker sind ähnlich sexistisch, können aber offensichtlich den Lauf der Zeit nicht ändern, der das eine oder andere weibliche Mitglied in ihren Clubs hervorgebracht hat. Die Frauen wirken noch tragischer und abgewrackter als viele der männlichen Biker – die Überspitzung in ihrer Darstellung ist nicht nur hier ein bewusstes Stilmittel: „Dawn hingegen war unter dem staubigen Mini nackt. Sie liebte es, wenn Arsch und Fotze das vibrierende Leder der Harley spürten. Wenn auf dem Sitz ein feuchter Fleck zurückblieb, wenn sie abstieg.“ (Hell/Steinmetz: „Rednecks“)

Will man den Roman in aller Kürze beschreiben, reichen drei Worte: Quick, hard(core), dirty. Dementsprechend schnell kann man den Text auch lesen – oder besser: verschlingen, denn Spannungskurve und Tempo bleiben von der ersten bis zur letzten Seite auf einem hohen Niveau, obwohl die Handlung relativ einfach und linear ist. Und das betrachte ich auch als die einzige Schwachstelle des gemeinsamen Werks von Faye Hell und M.H. Steinmetz – die welterschütternde Überraschung bleibt trotz des fulminanten Endes aus.
Für mich liegt das weniger an der Struktur des Romans, sondern mehr an seinem Inventar: Alle Protagonisten, egal welchem Geschlecht oder welcher Ethnie sie angehören und auf welcher Seite des Gesetzes sie (offiziell) stehen, sind ziemlich kaputte Gestalten und wenig komplex. Hierdurch wirkt der beinahe bodenlose Sumpf aus Brutalität und Gleichgültigkeit, in dem sie sich wie in einer zweiten Haut bewegen, zwar authentisch, die Geschichte aber stellenweise etwas eintönig.

Beispielsweise hätte eine größere Prise des schwarzen Humors, der an einigen wenigen Stellen rau wie Wüstensand durch den Text rieselt, den Roman noch unterhaltsamer gestaltet. Und zumindest einer Figur hätte man einen ausführlicheren, atypischen Lebenslauf geben können, um schon früh für kleinere Twists zu sorgen. Allerdings wäre dabei eine andere Version von Rednecks herausgekommen. Daher werte ich das als eine Frage des persönlichen Geschmacks und weniger als einen objektiven Grund zur Kritik (ich kann den komplexen Strukturen einfach nicht widerstehen, welche die meisten Texte von Faye wie Cthulhus Tentakel durchziehen).
Außerdem ist es nicht so, als gäbe es keine interessanten Entwicklungen – Marla, die auch zahlreiche andere Rezensent*Innen von „Rednecks“ begeistert hat, legt einen weiten, steinigen und verdammt steilen Weg zurück, der ohne große Sprünge und innere Stärke nicht zu meistern wäre. Dabei begegnet sie an vielen Stellen der omnipräsenten Brutalität, die den Roman von Anfang an wie das Schwarz der Tinte begleitet. Auch die für Hardcore-Literatur typische Kombination aus Sex und Gewalt wird in „Rednecks“ regelrecht zelebriert. Vor allem zum Ende hin erwarten die Leser*Innen ein paar besondere Leckerbissen, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte 😀

In meinem Interview mit Faye zeichnete sich bereits ab, dass die Rollenbilder in diesem Roman eher genre-untypisch sind – das kann ich nur bestätigen. Selten genug kommt man in den Genuss von Hardcore-Literatur, in der die Protagonistinnen mehr als ein Stück Fleisch sind, das es auf jede erdenkliche Art zu vergewaltigen und erniedrigen gilt. Hell und Steinmetz scheuen nicht vor der Darstellung von (sexueller) Gewalt zurück, trotzdem drehen sie den Spieß (ja, der darf hier durchaus als Phallussymbol verstanden werden) oft genug um. Da verwundert es nicht, wenn es aus dem Mund einer Prostituierten heißt: „Zeigen wir den Rednecks, was echte Pussys sind und an welchen nur haarige Eier hängen!“ (Hell/Steinmetz: „Rednecks“)

Was mich ebenfalls begeistert, ist die Harmonie, mit der das Autorenduo die unterschiedlichen Handlungsstränge (Faye und Mario entwickelten jeweils zwei davon) ineinanderfügte. Hätte ich in besagtem Interview nicht erfahren, dass sie den Roman wie einen Dialog aus nacheinander folgenden Kapitel geschrieben haben, wäre mir das niemals aufgefallen. Lediglich bei manchen Figuren oder auch bestimmten Sätzen drängte sich mir eine eindeutige Vorstellung davon auf, wer sich dafür verantwortlich zeigt: „Kitty war das Schnurren vergangen. Schnurrus interruptus.“ Aus wessen Feder das wohl stammt?

Obgleich den Landschaftsbeschreibungen keine so bedeutende Rolle zukommt wie beispielsweise in Rigor Mortis, versehen Faye und Mario den Roman mit stimmungsvollen Bildern und erzeugen damit eine dichte Atmosphäre, die für viele der Kapitel wie ein Rahmen fungiert. Kopfkino ist dadurch vorprogrammiert!
Zwar bleibt am Ende nur eine Handvoll von Figuren übrig, deren Agenda stellt eine Rückkehr nach New Mexico jedoch deutlich in Aussicht – und so, wie die Nacht auf den nächsten Sonnenuntergang wartet, bin ich jetzt schon extrem gespannt auf das mögliche Danach, ob es sich nun in der Wüste oder in einer anderen Hölle abspielt.

 

 
Fette Beute!
 
Fünf von fünf Ballen.