Ethan Kink: Der Leichenficker 2 – Vendetta

Ethan Kink: Der Leichenficker 2: Vendetta

Fortsetzungen sind ein leidiges Thema – dessen war sich auch Ethan Kink bei seiner Arbeit an „Der Leichenficker 2 – Vendetta“ bewusst, wie man im Nachwort lesen kann.
Die Ausgangssituation hatte es in jedem Fall in sich: Am Ende von „Der Leichenficker“ prallten die ohnehin gewalttätigen Welten von Carina und Erik explosionsartig aufeinander, und die Entscheidung, ob der Schluss wirklich ein solcher war oder nur den Anfang von etwas Neuem markierte, blieb (vorerst) den Leser*Innen überlassen.

Klappentext (vom Redrum-Verlag):

Erik und Carina leben. Sie lässt ihn ungeschoren davonkommen, doch sie stellt eine Bedingung: Fortan muss Erik sie bei ihrem Feldzug gegen das Verbrechen unterstützen und dabei geht es ihr nicht nur um seine finanziellen Mittel. Carina Vogt hat den Polizeidienst quittiert und will das Gesetz in die eigenen Hände nehmen. Und während Erik weiterhin mit seinen ganz eigenen Dämonen zu kämpfen hat, ziehen die beiden eine blutige Spur durch ganz Berlin.
Als sie einen Kleinkrieg gegen die Russenmafia entfachen, betritt zu allem Übel noch ein neuer Spieler die Bühne. Der Unbekannte eifert scheinbar seinem Idol nach und stellt eine Forderung, die Erik erneut aus der Bahn wirft. Das Morden würde erst aufhören, wenn die Show des Leichenfickers wieder online geht.

Ein schonungsloser Trip in die dunkelsten Winkel der menschlichen Seele, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Hirn der Leser zu ficken.

Kein Spoiler-Alarm: Gefickt wird auch in diesem Roman von Ethan Kink wieder reichlich und reichlich jenseits des guten Geschmacks. Der Autor mag sich etwas zurückgenommen haben, dennoch sind die Schilderungen nichts für zartbesaitete Menschen. Der plakative Titel hält, was er verspricht; allerdings geht es um mehr, wie schon der Zusatz Vendetta erahnen lässt.

Obwohl ich das Ende des ersten Teils als solches gelesen hatte, freute ich mich auf eine Wiederbegegnung mit Carina und Erik, daher feierte ich die Nachricht, die mich vom Meister persönlich auf der Leipziger Buchmesse erreichte. Und trotzdem schwang bei mir etwas Skepsis mit, als ich das Buch schließlich öffnete, denn von Fortsetzungen wurden wir alle schon enttäuscht. Eine Enttäuschung ist „Der Leichenficker 2 – Vendetta“ keinesfalls, aber an seinen Vorgänger kommt der Roman für mich nicht heran.
Zum Teil liegt das sicherlich an meiner Genre-Präferenz: Ich liebe Horror, ich kann Thrillern ebenso wie harten Krimis einiges abgewinnen, Action konsumiere ich dagegen nur selten – und dann über das Medium Film, vorzugsweise mit Martial Arts. Und obwohl sich im Leichenficker 2 noch Hardcore-Elemente finden lassen, ist der Roman eher ein Genre-Mix – eine Eigenschaft, die mich nicht generell stört, doch irgendetwas fehlte mir inmitten all der Schießereien. Außerdem muteten Details wie die zitierten Macho-Sprüche aus den 80er-Jahre-Actionfilmen leicht unpassend an und wollten nicht recht zum sonstigen Verhalten des sadistischen Gespanns passen.

Was mich umso mehr beeindruckte, war die ansonsten clever inszenierte (Weiter-)Entwicklung von Carina und Erik. Ethan Kink gelingt es erneut, inmitten von Gewalt, Sex und Wahnsinn beinahe beiläufig Psychogramme seiner Hauptfiguren zu zeichnen und der neuen Situation anzupassen. Diese bewegen sich nie unrealistisch weit weg von ihrer Persönlichkeit, allerdings hat ihre Beziehung bei beiden längst verschollen geglaubte Wesenszüge ans Tageslicht gezerrt. Der Kampf darum, welche Eigenschaften am Ende die Oberhand behalten sollen, wird zu ihrem ständigen Begleiter und stimmte mich trotz der oftmals bösartig-unterhaltsamen Lektüre nachdenklich, zumal ihre ambivalenten Gefühle mitunter zerstörerische Auswüchse annehmen.

DER Twist schlechthin knallt den Leser*Innen dann auch das gesamte Waffenarsenal der Figuren vor den Kopf. Menschliches Drama beherrscht der Autor eben genauso gut wie schwärzesten Humor und – natürlich – fiese Darstellungen von Gewalt. Zwar sagt Ethan Kink selbst, er habe sich mit den Abartigkeiten etwas zurückgehalten, es steht aber außer Frage, ob er es noch kann:
„Ich nahm den Hammer und zertrümmerte ihm mit nur einen Hieb den halben Unterkiefer und alle vorderen Zähne. Das Geräusch der splitternden Knochen machte mich sofort wieder geil und für einen Moment vergaß ich, dass es ein Mann war, der dort lag. Ich ließ den Hammer fallen, packte Carina und rammte ihr meinen Prachtschwanz in den Arsch, so hart ich nur konnte.“ (Ethan Kink: „Der Leichenficker 2 – Vendetta“)

Das Ende des Romans kündigt sich schon einige Seiten vorher an und berührt ein weiteres unvorhergesehenes Mal ziemlich tief. Jedenfalls Menschen wie mich, die vor allem mit gefallenen Helden oder niemals in den Himmel aufgestiegenen, jedoch moralisch integren Schurken mitleiden. Dementsprechend ist für mich die Quintessenz aus der Lektüre, dass die wahren Turbulenzen dieses Romans tief unter der Oberfläche der zuweilen tumultartigen Action lauern und unvorsichtige Leser*Innen auf hinterhältige Weise in den Abgrund ziehen können. Hatte ich beim Vorgänger stellenweise das Gefühl, von einem Laster gerammt und durch die Luft geschleudert zu werden, während tausend WTFs in meinem Kopf tanzten, war es bei „Der Leichenficker 2 – Vendetta“ eher ein Panzerwagen, der mich unter sich begrub und mit erbarmungsloser Endgültigkeit in den Asphalt drückte.

Ethan Kinks Roman erweist sich als überraschend vielschichtig und überzeugt als blutig-bunter Genre-Mix. Doch die Stimmigkeit und die steile Spannungskurve des ersten Teils erreicht er nicht, sodass ich ihm keine volle Pfote geben kann.

 

 
Vier von fünf Ballen.