Bodil Mårtensson: Slottet Standheart – ett farligt arv

Bodil Mårtensson: Slottet Standheart – ett farligt arv

Erstmal der offenbar notwendige Hinweis: Da ich „Slottet Standheart – ett farligt arv“ als Rezensionsexemplar erhielt, muss ich diese Rezension als Werbung deklarieren. Was natürlich Schwachsinn ist nicht heißt, dass ich mich davon in meiner Bewertung beeinflussen lasse oder die Lättläst-Ausgabe anderweitig bevorzugt behandeln würde. Ganz im Gegenteil: Eigentlich sollte die Rezension schon seit über einem Monat geschrieben und veröffentlicht sein.
Und ja, auch mein Job, die eigenen kreativen Anstrengungen und meine sportlichen Aktivitäten sind für die Verzögerung verantwortlich. Aber nicht nur – anstatt am PC zu sitzen, genieße ich die sommerlichen Temperaturen momentan sehr oft an meinem Lieblingsplatz in Köln:

Trotzdem habe ich nun endlich Zeit dafür gefunden, mich ausgiebig mit „Slottet Standheart – ett farligt arv“ zu befassen. Der Zeitpunkt war ohnehin besser als in meiner Planung, da gerade der Schwedisch-Kurs an der VHS zu Ende gegangen ist. Während ich die Lättläst-Ausgabe „Mannen på stranden / Fotografens död” ausgewählt hatte, weil ich mich hin und wieder gerne mit Literatur von Henning Mankell beschäftige, fiel die Entscheidung für Bodil Mårtenssons Büchlein aufgrund des Klappentexts und der Leseprobe.

Klappentext (vom Groa Verlag):

Die Journalistin Annelie Bendelin erhält eine unerwartete Erbschaft – ein Schloss in Schottland! Sofort fährt sie dorthin, um zu sehen, ob das wirklich wahr ist.
Sie wird von der Haushälterin Mary und dem jungen Verwalter Ian auf dem Schloss begrüßt. Gleich am nächsten Tag verunglückt Annelie beinahe. Oder war es gar kein Unglück, sondern ein Attentat auf sie?
Annelie wird immer misstrauischer. Und allmählich beginnt sie zu verstehen, in welch großer Gefahr sie sich auf Schloss Standheart befindet.

Der Einstieg in die Geschichte gestaltete sich für mich etwas schwierig: Bei den ersten Seiten fragte ich mich (da ich mich vorab nicht mit der Autorin Bodil Mårtensson befasst hatte), wie verstaubt dieser Text sein muss, wenn eine erwachsene Frau ihren Verlobten beinahe um Erlaubnis anfleht, alleine eine Reise anzutreten. Nachdem sich durch die Erwähnung von Handys und Co. herausstellte, dass er so alt nicht sein kann, habe ich versucht, die zum Teil erschreckenden Rollenklischees zu überlesen und mich stattdessen auf den Plot und die schönen Beschreibungen zu konzentrieren.

Letztere sorgten bei mir sofort für ein ansprechendes Kopfkino und verbanden sich mit einigen typischen Elementen aus Schauerromanen zu einem stimmigen Gesamtbild. Obwohl die Geschichten ansonsten keinerlei Gemeinsamkeiten aufweisen, musste ich aufgrund der strukturellen Einbindung solcher Details ein wenig an Tanja Hanikas „Der Angstfresser“ denken. Im Fall von Slottet Standheart regte ebenfalls bereits die Szenerie die (dunkle Seite meiner) Fantasie an: die Abgelegenheit des Ortes, das Schloss mit all seinen Geheimnissen und nicht zuletzt der Umstand, dass die Protagonistin Annelie im Schlafzimmer des verstorbenen Hausherrn nächtigen muss … Natürlich dürfen in dem Sammelsurium auch der vorausdeutende Alptraum und weitere Klassiker wie das unheilvolle Gewitter nicht fehlen.

Dennoch tritt die Verbundenheit der schwedischen Autorin mit dem Kriminalroman in der Regel deutlicher hervor als eine Leidenschaft für Gruselgeschichten – nicht verwunderlich, da Bodil Mårtensson vor allem für ihre Reihe um den Kommissar Joakim Hill bekannt ist. „Slottet Standheart – ett farligt arv“ bietet allerdings eine spannende Atmosphäre, die über das reine Whodunit hinausgeht.

Die Geschichte ist durchgängig im Präsens geschrieben – was auf den ersten Blick (sogar für Fans des szenischen Präsens) etwas gewöhnungsbedürftig erscheint. Der Vorteil besteht jedoch darin, dass die Leser*Innen nicht über unregelmäßige Vergangenheitsformen stolpern und unbekannte Worte ohne großen Aufwand im Wörterbuch nachschlagen können. Auf diese Weise begibt man sich gemeinsam mit der Protagonistin Annelie auf eine Entdeckungsreise durch Schottland, ohne dass der Lesefluss ständig unterbrochen wird. Viele der vielleicht unbekannten Vokabeln erschließen sich zudem durch den Kontext, wobei die Sprache stets abwechslungsreich bleibt.

In mehreren Episoden, die verschiedene schottische Besonderheiten aufgreifen (ein Highlight: die Führung durch die Whisky-Brennerei), sieht sich Annelie mit Bedrohungen konfrontiert, die sie bald nicht mehr dem Zufall zuschreiben kann. Ich würde behaupten, dass sie deutlich länger braucht als die meisten Leser*Innen, bis sie erkennt, wer hinter den Attentaten steckt. Die Vorhersagbarkeit des Geschehens, die sicherlich auch der absichtlich einfachen Struktur geschuldet ist, empfinde ich (gemeinsam mit dem ultrakitschigen Happy-End) als die größte Schwäche der Lättläst-Ausgabe. Dennoch war die Lektüre unterhaltsam, zumal „Slottet Standheart – ett farligt arv“ auf der sprachlichen Ebene eine gute Mischung aus Verständlichkeit und Facettenreichtum bietet.

 

 
Vier von fünf Ballen.