Tim Miller: Willkommen in Hell, Texas

 

Klappentext (vom Festa Verlag):

Auf ihrem Roadtrip durch den Süden von Texas werden vier Collegestudenten irgendwo im Nirgendwo von einem Sheriff angehalten und verhaftet. Er beschuldigt sie illegale Einwanderer zu sein. Die vier werden in das Städtchen Hell gebracht. Hier leben die Bürger nach ihren eigenen kranken Regeln. Und in der Kunst der sadistischen Vernichtung von Fleisch und Seele haben sie unvorstellbare Meisterschaft erlangt …
Willkommen in Hell, Texas ist eines der brutalsten Bücher, die Festa bisher veröffentlicht hat. Tim Miller schreibt abartig … abartig gut!

Tim Miller rühmt sich gerne selbst seiner Kompromisslosigkeit und Grausamkeit – der Klappentext vom Festa Verlag bestätigt dieses Bild, ich kann mich dem jedoch nur teilweise anschließen. Der Roman strotzt von Beginn an vor Klischees aus dem Horror-Genre: Man nehme zwei Pärchen, eines davon etwas glücklicher als das andere, unterwegs in einem Auto durch ein unwirtliches Niemandsland. Immerhin spart sich der Autor das fünfte Rad am Wagen, indem er auf das Single-Volltrottel-Arschloch-Stereotyp verzichtet.

Anstatt einer Reifenpanne oder der Einkehr an einer Hinterwäldler-Tankstelle mit grimmigen Einwohnern kommen als erster Plotpunkt direkt die Cops und verhaften die vier Reisenden. Ganz zaghaft erwachten bei mir in Bilder transformierte Leseerinnerungen an Stephen Kings „Desperation“. Umso enttäuschender fällt vor diesem Hintergrund aus, was Tim Miller im Folgenden liefert. Schrecklich dämliche Dialoge, eine vermeintliche Autorität von gewissen Individuen, die nicht einmal kleine Kinder beeindrucken würde, und wenig nachvollziehbare Reaktionen findet man auf allen Seiten (des Buchs und der Geschichte).
Was dagegen fehlt, ist Atmosphäre: „Willkommen in Hell, Texas“ liest sich wie eine detaillierte Drehbuchvorlage. Gefühle sind entweder nicht vorhanden oder derart oberflächlich skizziert, dass es schmerzt (vermutlich nicht im Sinne des Schreibenden). Dadurch wird das Arsenal an Grausamkeiten, mit dem der Autor tatsächlich aufwartet, nicht erfahrbar. Horror benötigt Nähe, um sich in seiner Wirkung zu entfalten – aber die Identifikation mit den Hauptfiguren gelang mir nicht einmal ansatzweise. Wenn überhaupt Motivationen genannt werden, sind sie so abgedroschen wie hohl. Falls es Millers Absicht war, eine Vielzahl möglichst dummer Charaktere in einem Text zu versammeln, hat er einen Volltreffer gelandet – leider ohne kontrastierendes Gegenüber. Viel besser gefiel mir dagegen ein anderer Roman aus der Reihe Festa Extrem, nämlich Monica J. O´Rourkes „Quäl das Fleisch“.

Angesichts der Folter, die sämtliche Opfer der Stadt Hell und ihrer Einwohner erleiden, kann man mit ihnen Mitleid haben, doch mehr bleibt einem bei der Lektüre verwehrt. Und auch in dieser Hinsicht liefert der Autor wenig Neues: Der Leser stolpert über Frankenstein und seine zahlreichen Monster, vielfache Varianten des Gottkomplexes, eine relativ detailreiche Pfählung, Nekrophilie und fast obligatorisch wirkende Vergewaltigungen. Lediglich die Inneneinrichtung eines bestimmten Häuschens bietet ein paar Überraschungen, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte. Stattdessen soll dir folgendes Zitat einen Einblick in das Städtchen Hell geben:
„Diana konnte den Blick nicht von Tina abwenden, die immer weiter am Pfahl hinunterrutschte. Dann begann sie schließlich zu würgen und ihr ganzer Körper zitterte und bebte, als das spitze Ende des Pfahls aus ihrem Mund hervorkam.“
(Tim Miller: „Willkommen in Hell, Texas“)

Das Ende erweckt den Eindruck, als hätte (der innere Verleger) Tim Millers – er publiziert seine originalsprachigen Bücher im Selbstverlag – dem Schriftsteller-Ich gesagt: “Da geht noch mehr!” Eine erste Fortsetzung wurde bereits veröffentlicht. Nachdem ich mir die Leseprobe von „Zurück nach Hell, Texas“ zu Gemüte geführt habe, wage ich jedoch zu bezweifeln, dass sich die Anschaffung für mich lohnt. Denn der einfache Stil, die gehaltlosen Beschreibungen von Handlungen, die wenig intelligenten Figuren und ziemlich dummen Dialoge erinnern deutlich an den Vorgänger und treffen damit überhaupt nicht meinen Geschmack. Auf seiner Website erfährt man, dass Tim Miller bereits an einem dritten Teil arbeitet und weitere Romane nicht grundsätzlich ausschließt, obgleich er vorerst von einer Hell-Trilogie spricht. Sollte ich noch einmal zu Geschichten dieses Autors greifen, werde ich sie im Original lesen – denn möglicherweise trägt die Übersetzung zu manchen der Kritikpunkte bei.

 

 
Drei von fünf Ballen.