Simone Trojahn: Kellerspiele

Simone Trojahn: Kellerspiele

Mit „Daddy’s Princess“ hatte mich Simone Trojahn einst angefixt – daher war es nur eine Frage der Zeit, bis es mich nach einer weiteren Dosis Hardcore-Psychothriller verlangte. Die Entscheidung für „Kellerspiele“ hatte ich nach einem Blick auf den Klappentext schnell gefällt. Der verkauft den Roman zwar etwas unter Wert; wenn man die Autorin jedoch kennt, weiß man, dass sie aus einem (oder vielleicht sogar jedem) simpel klingenden Plot ein dichtes, spannendes Drama aus Fehlentscheidungen, tiefen Abgründen und Grausamkeiten zaubert.

Klappentext (vom Redrum-Verlag):

Karl ist schockiert, als Toni eine junge Frau entführt, um sie im Keller des gemeinsamen Hauses gefangen zu halten. Sein Bruder ist ein Sadist. War er schon immer. Und Karl? Er ist hin und her gerissen zwischen Mitleid, der emotionalen Abhängigkeit zu seinem Bruder und dem Bedürfnis, die eigenen Triebe an der hübschen Laura zu befriedigen, die in ihm die einzige Hoffnung auf Rettung sieht. Wird Karl am Ende das Richtige tun und dem Mädchen zur Flucht verhelfen oder gewinnt der dunkle Teil in ihm die Oberhand?

Zaubern ist allein im Hinblick auf die Atmosphäre natürlich nicht das adäquate Wort für die Collage aus emotionaler Kälte, Gewalt und Schmerz, die Simone Trojahn schonungs- und schmucklos darbietet – „Kellerspiele“ ist von den massentauglichen Konzepten der Magie ungefähr so weit entfernt wie Edward Lee von Rosamunde Pilcher. Der Roman präsentiert sich in ungeschönter Härte, und das auf mehreren Ebenen.

Zunächst wird die von Anfang an recht ausweglose Situation von Karl geschildert, der passiv jede Be- und Misshandlung durch seinen älteren Bruder erträgt. Seine vermeintliche Rettung hat er schon vor langer Zeit in der Lethargie gefunden, doch wann immer er aus der gewohnten Routine herausgerissen wird, ist er überfordert – und trifft denkbar schlechte Entscheidungen. Er hat nichts Heroisches an sich und sammelt trotz seiner Misere kaum Sympathiepunkte, wodurch Emotionen wie Mitleid nur selten vorbeischauen, wenn man davon liest, was er durchmacht – das gilt zumindest für den Großteil des Romans. Denn Trojahn ist eine Meisterin darin, ihre Figuren durch die schlimmsten Kloaken zu treiben, sie fast darin zu ertränken, sodass man sie am Ende doch nicht mit absoluter Gleichgültigkeit betrachten kann, selbst wenn sie sich zuvor schuldig gemacht haben. Oder anders gesagt: Simone Trojahns Faible für kaputte Menschen fügt sich wieder einmal hervorragend in das Konzept ihres Thrillers ein.

„Toni trat ganz nah an ihn heran. Er legte eine Hand auf Karls Hinterkopf. Eine Geste, die beinahe tröstlich wirkte, doch dann kam die zweite Hand dazu und er drückte Karl nach unten, mit dem Gesicht direkt in die eigene Kotze. ‚Und jetzt leck es auf, du Schwein! Friss es wie ein Hund!‘ Er drückte so fest zu, dass Karls Nase und Lippe zu bluten begannen. Karl öffnete den Mund, um seinen Bruder anzuflehen, doch dabei blubberte nur Blut aus ihm hinaus und Kotze in ihn hinein, sodass er sich verschluckte und auf einmal das Gefühl hatte, ersticken zu müssen.“ (Simone Trojahn: „Kellerspiele“)

Die Darstellung von Laura fesselte mich anfangs nicht wirklich (nein, das soll kein misslungener Wortwitz sein). Ihre eher typischen Teenie-Probleme wirken einfallslos. Auch die Gedanken während und kurz nach der Entführung konnten mich nicht überzeugen. Dagegen ist die Schilderung ihres emotionalen, geistigen und körperlichen Verfalls umso gelungener – erschreckend gelungen. Besonders interessant finde ich, wie eng ihre Entwicklung an die von Toni gekoppelt ist. Denn obwohl Karl ein funktionelles Bindeglied zwischen Laura und seinem Bruder ist, bedingen sich vor allem das Ausmaß von Tonis Abgestumpftheit und der Zustand seines Opfers gegenseitig. Es ist weniger die rohe Gewalt, die schockiert, sondern der Gewöhnungseffekt, der bei Toni einsetzt. Die Art, wie er seine sadistischen Fantasien auslebt, weckte bei mir deutliche Assoziationen. Zwar wird seine Leidenschaft für (echte?) Foltervideos mehrfach erwähnt, aber viele der Abartigkeiten, die er an Laura vollführt, kennt man aus einschlägigen Filmen, die teilweise auch genannt werden. Dementsprechend entfalten die einzelnen Misshandlungen gerade vor dem Hintergrund der Langeweile, die sich bei Toni so rasch einstellt, ihre monströse Wirkung.

Simone Trojahn schafft es, dass dieses Gefühl der Abstumpfung, von Laura und Toni auf unterschiedlichste Weise durchlebt, seine toten Finger auch nach den Leser*Innen ausstreckt. Dessen wurde ich mir allerdings erst bewusst, als mich ein weiterer Brecher (im wahrsten Sinne des Wortes) aus dem herausriss, was man „Folterroutine“ nennen könnte. Muss man vor einem Roman aus dem Redrum-Verlag tatsächlich noch warnen? Vermutlich nicht, daher bedanke dich mich an dieser Stelle lieber für das Rezensionsexemplar, und überlasse es den mündigen Menschen, selbst zu entscheiden, was sie lesen möchten 😛

Im Vergleich zu „Daddy’s Princess“ wirkt „Kellerspiele“ teilweise ein bisschen unausgereift, beispielsweise wenn es um die Perspektivwechsel geht. Und auch hinsichtlich der Charakterzeichnung lässt Simone Trojahn ihren ansonsten sehr geschärften Blick etwas vermissen.
Trotzdem ist der Roman eine klare Empfehlung für alle, die sich gerne auf die ungeschönte Darstellung menschlicher Abgründe einlassen: Denn anders als beispielsweise Ethan Kink oder Bryan Smith durchzieht die Autorin ihren Text nicht mit schwarzem Humor, der ein bisschen den Schrecken aus den grausamen Schilderungen nehmen könnte. Und genau das macht „Kellerspiele“ so hart und kalt wie den Betonboden unter Lauras nackten Füßen, erstickt die Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang im Keim. Es gibt kein Entkommen – nicht aus dem Verlies, aber auch nicht aus dem ebenso dunklen Roman.

 

 
Vier von fünf Ballen.