Die Leipziger Buchmesse 2019

Lange ersehnt, endlich geschafft: mein erster Besuch auf der Leipziger Buchmesse!

Bücherteppich auf der Frankfurter Buchmesse, 2016
2016 empfing mich ein Bücherteppich auf der Frankfurter Buchmesse.

Vor einiger Zeit, es fühlt sich an wie ein anderes Leben, war ich in Frankfurt: Einmal wurde die Fahrt von meiner Universität organisiert, 2016 unternahm ich dagegen alleine einen Kurztrip via Flixbus, der durch unzählige Verspätungen einen ziemlichen Kamikaze-Charakter hatte. Trotzdem beeindruckte mich die Messe mit ihrer Fülle an Büchern und Buchmenschen. Doch irgendetwas vermisste ich. War es der persönliche Kontakt zu anderen Leseratten? Hat mir das nötige Maß an Extravertiertheit und Ego gefehlt, um vollends in das zeitlich begrenzte Paralleluniversum einzutauchen, anstatt mich primär zwischen irgendwelchen Buchdeckeln zu verstecken? (Ja, auch das.)

Vor allem aber, und das weiß ich seit einer Woche, war es einfach nicht Leipzig. Leipzig, eine Stadt, die mich begeistert, seitdem ich 2003 das erste Mal das WGT besuchen konnte. In die ich zu den verschiedensten Anlässen zurückkehren durfte, ohne dass sie je ihren Charme für mich verloren hätte. Doch es war nicht nur der Ort, der diesen Unterschied machte, sondern gerade die Menschen: Die unfassbar vielen und vielfältigen Cosplayer, die in und aus Halle 1 strömten und manches seltene Areal von Anzugträgern direkt ein bisschen sympathischer wirken ließen. Die Bibliophilen und Buchbegeisterten, die von Stand zu Stand schlenderten und beim Stöbern in den neuesten Romanen alles um sich herum vergaßen. Und natürlich jene Leute, mit denen ich bislang primär oder ausschließlich via Social Media und E-Mail Kontakt hatte.

Quer durch die Innenstadt: Die Guerilla-Lesung

Los ging es für mich um 10 Uhr am Mendebrunnen, der durch seinen 18 Meter hohen Obelisken schon von Weitem zu sehen ist. Mit einer kleinen Verspätung, doch immerhin nicht als letzte Person, kam ich dort an und realisierte, was ich eigentlich bereits wusste: Meine Queen of Horror, Faye Hell, konnte leider nicht der Leipziger Buchmesse und damit auch nicht der Guerilla-Lesung beiwohnen, weil sie krank im Bett lag. So stand ich erstmal ein wenig unschlüssig herum, unsicher, ob ich mich jetzt direkt M.H. Steinmetz oder Markus Lawo aufdrängen sollte, da es die einzigen Teilnehmer waren, mit denen ich vorab (nämlich beim „House of Horrors“) wenigstens ein paar Worte gewechselt hatte. Das Grübeln fand glücklicherweise durch die erste Lesung ein jähes Ende, und mit Eva von Astis Hexenwerk traf ich schon bald auf ein weiteres Mitglied von The Coven. Als erfahrener Messe-Mensch gab sie mir hilfreiche Tipps (welche Straßenbahn fährt zum Gelände, wo gibt es vor Ort den besten Kaffee, welchen Laden sollte man sich nicht entgehen lassen, wenn man sich ohnehin gerade am Leipziger Hauptbahnhof aufhält), während wir unterwegs waren. Denn das ist einer der Aspekte besagter Guerilla-Lesung: Die Texte wurden zu vier unterschiedlichen Themen konzipiert und an ebenso vielen verschiedenen Standorten vorgetragen, die innerhalb der Innenstadt lagen. Die Beiträge am Mendebrunnen näherten sich dem Stichwort „Kunst“ an, danach folgten „Kirche“, „Natur“ und „Reise“, jeweils vor passendem Ambiente.

Guerilla Lesung auf der Leipziger Buchmesse
Die Guerilla-Lesung in Leipzig war das frühe Aufstehen wert!

Konnte Faye nicht persönlich vor Ort sein, ihr Text „Was ist schon Kunst?“ war es allemal – und hat mich mit seiner Präsenz, dem bissigen schwarzen Humor und seiner enormen Verdichtung gänzlich für sich eingenommen. Trotz der zeitweise etwas lauten Umgebungsgeräusche entwickelte sich mühelos ein Kopfkino in meinem Geist, das ich sehr genossen habe. Genau sowas ist Kunst!
Ein weiteres Highlight war Simona Turinis Kürzestgeschichte, die zwar vor einem sakralen Bau zum Besten gegeben wurde, der aber nichts heilig war. Wie viele Wesen und Geschöpfe kann man in 500 Wörtern unterbringen und trotzdem noch eine unterhaltsame Geschichte liefern, die mehr als eine bloße Aufzählung ist und dabei am Ende ein kitschiges Ende liefert, das die Leser*Innen dennoch nicht missen wollen? Ich habe nicht nachgezählt, aber ich liebe diesen Text. Zugegeben, besonders überraschend kam dies nicht – ihre Beiträge zu den Anthologien „Ghost Stories of Flesh and Blood“ und „Fleisch 6“ hatten mich schließlich ebenfalls überzeugt.

Die Leipziger Messe: An den Ständen von Festa, Blutwut und Redrum

Der literarische Spaziergang endete nach zwei Stunden, die mir wie 20 Minuten vorkamen, und ich zog weiter, in der Hoffnung, dass ein geplantes E-Book mit all den Kürzestgeschichten (unter anderem von Claudia Rapp, M.H. Steinmetz und Torsten Scheib) und trotz einiger Schwierigkeiten bald erscheinen wird.
Das Außengelände der Leipziger Messe wirkte bei meiner Ankunft ungeachtet des schönen Wetters erstaunlich leer. Natürlich trog der Schein und plötzlich fand ich mich inmitten eines Menschenknäuels wieder, das sich – zu meiner Freude oftmals mit flauschigen Ohren und Schwänzen ausgestattet – durch die Glashalle und die verschiedenen Ausstellungsflächen schob.

Leipziger Buchmesse 2019
Der Schein trügt: So leer war das Messegelände nur in diesem Bereich.

In Halle 3 stolperte ich zunächst zufällig über einige der Verlagsstände, denen ich ohnehin einen Besuch abstatten wollte. Bei Festa fand allerdings in diesem Moment die Signierstunde von Wrath James White statt, weshalb sich dort eine ziemlich lange Schlange gebildet hatte. Während ich noch überlegte, ob ich erstmal woanders mein Glück versuchen sollte (Whites Texte konnte ich bislang wenig abgewinnen, wenngleich der Autor live einen sehr sympathischen Eindruck machte), landeten meine Augen auf dem kleinen, aber feinen Stand gegenüber: Der Name Blutwut erinnert mich zwar an eine eklige Spirituose, hat aber spannende Bücher zu bieten.
Unentschlossen, ob ich mich nun für „Home Invasion“ oder „USA 2084“ entscheiden sollte, kam ich dort mit einer Dame ins Gespräch, die sich mir mittendrin als Elli Wintersun vorstellte. Das kommt davon, wenn man immer nur auf Text und kaum auf Bilder achtet – als Autorin war sie mir durch einige Stöbereien im Shop von Redrum Books und aufgrund diverser Facebook-Gruppen längst ein Begriff. Am Ende entschied ich mich für „Home Invasion“, da ich von Pjotr X bereits eine (ziemlich geniale) Kurzgeschichte („Snuff Geisha“ in Fleisch 6) gelesen hatte, während mir J. Mertens noch überhaupt nichts sagte. Als Messe-Bonus erhielt ich dazu noch einen süßen Totenkopf-Schlüsselanhänger, eine frisch signierte Autogrammkarte des Autors und das passende Lesezeichen zum Buch. Der Besuch beim Blutwut-Verlag, wenngleich ungeplant, hat sich also mehr als gelohnt – ob auch das Buch hält, was es verspricht, könnt ihr demnächst hier nachlesen.

Redrum Books, Blutwut auf Leipziger Buchmesse
Meine kleine, aber feine Ausbeute von der Leipziger Buchmesse – nächstes Jahr werde ich den Einkaufsbummel früher beginnen …

Um den Stand von Redrum tigerte ich mehrmals herum – ich hatte mir vorgenommen, pro Verlag maximal ein Buch zu kaufen, und konnte mich nicht entscheiden, welches es werden sollte –, sodass mich Inhaber Michael Merhi einmal sogar aufforderte, „nicht so schüchtern zu sein und näher zu kommen” … 😀 Meine Überraschung wich der Freude, als ich feststellte, mit wem er sich gerade unterhielt: Michael Barth, mir nach der Lektüre von „Der Leichenficker“ besser unter seinem Pseudonym Ethan Kink bekannt. Getoppt wurden die Begegnung und das nette Gespräch mit ihm noch von der Neuigkeit, bald eine Fortsetzung des Leichenfickers lesen zu dürfen ♡
Zurück zu meiner schweren Entscheidungsfindung: Mich bei der Auswahl an Neuzugängen derart zu begrenzen, konnte nur in die Hose gehen. Oder eben dazu führen, dass ich stattdessen das T-Shirt kaufte, in dem sich die Menschen von Redrum und viele der Leser*Innen gerne präsentieren, und einen ausgiebigeren Einkaufsbummel auf den Folgemonat verschob.

Als ich ein weiteres Mal beim Festa-Verlag vorbeischaute, hatte ich das Glück, Inge Festa anzutreffen und mit ihr ein paar Worte zu wechseln, nachdem wir bislang nur per E-Mail kommunizieren konnten. Nur mein Plan, endlich Nachschub an der Bücherfront von Bryan Smith zu bekommen, löste sich in Wohlgefallen auf. Da ich mit meinem Partner und Freunden aus Berlin zur Messe gekommen war, wollte ich selbstverständlich Zeit mit diesen Menschen verbringen. Gesagt, getan – und plötzlich war es 18 Uhr und damit keine Zeit mehr für die angedachte letzte Runde, bei der ich mein restliches Geld in neues Lesematerial umwandeln konnte.

Gelohnt hat sich der Besuch natürlich trotzdem – 2020 werde ich allerdings mindestens zwei Tage für die Leipziger Buchmesse einplanen. Denn es gab noch einige andere Stände, an denen ich gerne länger verweilt hätte, und das Zeitfenster für all die interessanten Veranstaltungen fiel deutlich zu klein aus. Und: Für nächstes Jahr brauche ich definitiv Hustenbonbons – der ungewohnt häufige Einsatz meiner Stimme forderte seinen Tribut und ich klang am folgenden Morgen ein bisschen wie Joe Cocker.